Schon 1693 wurde in Wien die erste Fiaker Konzession vergeben – also nur 10 Jahre nachdem die Stadt von der Türkenbelagerung stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Zur selben Zeit soll übrigens auch die Wiener Kaffeehauskultur entstanden sein. Damit waren die Fiaker auch das erste öffentliche Verkehrsmittel Wiens.
Strenge Regeln entstanden schon unter Kaiserin Maria Theresia, die unter anderem das Knallen mit der Peitsche verbat.
Spätestens im 19. Jahrhundert kam der Ruf der Wiener Fiaker auch in Deutschland an. Der Reiseschriftsteller Carl Julius Weber hatte die größte Hochachtung vor den Wiener Kutschern: "Die Fiakers sind eine ganz eigene Menschenklasse ... Sie haben oft schönere Pferde und Wagen, als mancher weiland regierender Reichsgraf, und fahren wie die Wagenlenker im Circus des alten Rom". Gewiss kann man einen Kutscher nicht besser loben, als wenn man sagte: "Er fährt wie ein Wiener Fiaker".
Kaiser Joseph II. hatte ein Reitpferd, dass kein Stallmeister bändigen konnte. er gab es aus Neckerei einem Fiaker, und nach wenigen Tagen paradierte der Fiaker damit durch die Burg. "Diese eigenen Gesellen haben einen Scharfblick, den ich oft bewundert habe…" (1)
Zu Anfang des 20. Jahrhunderts gerieten die Fiaker in die Krise – naturgemäß waren die neu erfundenen Automobile schneller. Während um 1900 noch rund 1000 Kutscher im Fiakerdienst registriert waren, waren es 1926 nur noch nur noch 52 Fiaker und 120 Einspänner.
Doch es gelang den Kutschern, sich in Form der nostalgischen Wientouristen eine neue Nische zu erobern. Heute gehören die Fiaker „zum Unverrückbaren Inventar der Wiener Innenstadt“, wie sich der berühmte Wiener Bürgermeister Helmut Zilk in den 1980er Jahren äußerte.
Was erwartet der Tourist von einem echten Wiener? Er sollte seinen Grant und seinen Schmäh nicht verstecken – und für mich entsprechen diesem Urtyp des Wienerischen genau zwei Berufsstände – der Kaffeehauskellner und der Fiaker.
Schon relativ früh tauchten Zeichnungen von Wiener Fiakern als Urtyp des Wienerischen auf.
In seinem 1921 erschienen Mappenwerk zeigt Rudolf Kristen einen damals schon typischen, gemütlichen Fiaker mit seinem Pferd, Bier und Zigarette in der Hand (2). So in der Art könnten wir ihn wohl noch heute an den Standplätzen vorfinden – allerdings eher mit alkoholfreiem Bier, gelten doch heute wesentlich strengere Regeln als zu Anfang des 19. Jahrhunderts.
Der Berufsstand brachte seit jeher echte Wiener Originale hervor – so etwa die bekannte Wienerlied Sängerin Emilie Turecek (alias Fiaker-Milli). Sie heiratete 1874 den Fiakerunternehmer Demel und wollte kurzzeitig sogar selbst Kutscherin werden (sie wäre die erste Frau in dem Berufsstand gewesen – offiziell gibt es erst seit 1984 lizensierte Kutscherinnen). Doch als das Unternehmen ihres Mannes pleite ging, sorgte sie mit ihren Auftritten im Jokeykostüm Aufsehen – denn das Tragen von Männerkleidung bedurfte damals in Wien noch eine polizeiliche Genehmigung.
Auch Josef Bratfisch, der Leibfiaker von Kronprinz Rudolf, gehörte zu den bekanntesten Wienerlied Sängern seiner Zeit, besonders kunstvoll sollen seine gepfiffenen Solos gewesen sein. Sein Leben – insbesondere natürlich die Vorgänge um den mysteriösen Selbstmord von Kronprinz Rudolf wurden schon 1925 im Stummfilm „Leibfiaker Bratfisch“ (Regie Hans Otto Löwenstein) verarbeitet. Dafür gibt es sicherlich in den letzten gut 330 Jahren zahlreiche weitere Beispiele.
Vor allem den Schmäh haben sich viele der Kutscher bis heute bewahrt – sie sind um keine Antwort verlegen – bis heute ist der Fiaker mehr als ein reiner Transporteur. Er ist Pferdekenner, Wienexperte und immer auch ein bisschen ein Entertainer. Der Wiener Fiaker sollte also die Wiener Kultur mit all ihren Facetten wiederspieglen.
1998 erschien eine Briefmarke in der Reihe „Volksbrauchtum und Volkskundliche Kostbarkeiten“ mit einem Wiener Fiaker als Motiv.
Erst im Jahr 2020 wurde zusätzlich eine Briefmarke ausgegeben, die Melone und Peitsche eines Fiakers zeigt.
Auch wenn das Kaiserreich seit mehr als 100 Jahren nicht mehr offiziell existiert, heißen bis heute Wiener Hotels „Imperial“, „König von Ungarn“, „Kaiserhof“ oder „Franz Josef“ – Kaffeehäuser und Geschäfte schmücken sich häufig noch immer mit dem Titel „k.u.k Hoflieferant“ und haben großformatige, kaiserliche Portraits in ihrem Gastraum. Natürlich gehören Besuche in Schönbrunn oder in der Hofburg wohl auf jeden touristischen Besuchsplan wie eine Fahrt mit dem Fiaker oder ein Besuch im Museum.
Denkt man an Wien, so kommt vielen zunächst das imperiale Erbe in den Sinn. Obwohl das Kaiserhaus seit mehr als 100 Jahren nicht mehr offiziell existiert, heißen bis heute Wiener Hotels „Imperial“, „König von Ungarn“, „Kaiserhof“ oder „Franz Josef“ – Kaffeehäuser und Geschäfte schmücken sich häufig noch immer mit dem Titel „k.u.k Hoflieferant“ und haben großformatige, kaiserliche Portraits in ihrem Gastraum. Natürlich gehören Besuche in Schönbrunn oder in der Hofburg wohl auf jeden touristischen Besuchsplan wie eine Fahrt mit dem Fiaker oder ein Besuch im Museum.
Schaut man sich Filme an, die sich mit der Historie Wiens beschäftigen, gibt es eigentlich eigentlich immer mindestens eine Szene, die im Fiaker spielt – und das sind nicht nur alte Klischeefilme wie die berühmte Sissi-Trilogie, auch aus den modernen Filmen und Serien sind die berühmten Wiener Kutschen kaum wegzudenken, sei es in „Die Kaiserin“ (Netflix ab 2022) oder sei es in Marie Kreutzers „Corsage“ (2022), der es sogar auf die Shortlist bei den Oscars schaffte – mit unseren Pferden und unseren Kutschern als Statisten.
Kurz gesagt – es gibt kaum einen Tourist, den das imperiale Erbe der Donaumonarchie kalt lässt. Eine Umfrage des Wientourismus ergab, dass dieses imperiale Erbe bei den Touristen auf Platz 4 der Gründe landete, warum sie sich für Wien als Urlaubsziel entschieden haben. Vermutlich träumen viele ein bisschen davon, einmal wie Sisi durch die Wiener Innenstadt kutschiert zu werden.
Und sind wir ehrlich, natürlich sind die Fiaker ein Relikt aus den „alten Zeiten“, das es in die heutige Zeit geschafft hat – daran ist jeoch nichts negatives auszusetzen (insofern Kutschefahren ordungsgemäß und richtig gemacht wird). Der Kutscher mit seinem rauen Charme und die gepflegten Rösser, die ihre Runden durch die Innenstadt ziehen – es passt eben genau in das Bild des imperialen Wiens und genau diese Nische konnten sich die Fiaker auch nach der Erfindung des Motors bewahren. Das Dorotheum versteigerte einen Fiaker, in dem Romy Schneider (aka Sissi) und Karl-Heinz Böhm (aka Franzl) in den berühmten „Sissi“-Filmen durch Wien gefahren wurden. Der Gewinner der Auktion war ein Hotellier aus Bad Ischl, der das Gefährt für 106.550 € erstand. Zum Vergleich brachte der Nachbau der „Golden State Coach“, eines der teuersten Requisiten aus der beliebten Netflixserie „The Crown“ in diesem Jahr bei einer Versteigerung im Londoner Auktionshaus Bonhams „nur“ 66.000 €.
Gerade Kaiser Franz Josef soll vom Automobil wenig angetan gewesen sein. 1908 bekam er in Bad Ischl einen Staatsbesuch des Britischen Königs Edward VII. - dieser soll ihn gerüchteweise zu einer Fahrt im Automobil geraten haben. Franz Josef war wenig begeistert und soll gesagt haben: "G'stunken hat's und g'sehn hat man nix!"(3) Franz Josef hatte zwar mehrere Leibwägen, soll aber gerade für kürzere Fahrten zeitlebens lieber auf die Kutsche gesetzt haben, weil er dem Automobil eine gehörige Portion Misstrauen entgegen gebracht hat.
Der heilige Fiacrius, ein irischer Einsiedler aus dem 7. Jahrhundert n. Chr. - und zu seinem Feiertag, alljährlich rund um den 30. August, lädt der Dompfarrer bereits seit 39 Jahren zur Messe in den Stephansdom. Fiacrius ist der Patron der Gärtner, Blumenhändler und natürlich der Fiaker.
In Paris wurde ihm zu Ehren eine Kirche benannt – und an dieser Eglise Saint Fiacre entstand um 1662 der erste Standplatz für Lohnkutschen – und so haben die Fiaker ihren Namen bekommen – der irische Mönch wurde gleichzeitig der Patron des neuen Berufsstandes. Dass der Heilige Fiacrius auch der Heilige der Hämorrhidenkranken ist, kommentieren wir nicht weiter ;)...
Dass die Fiaker für die Wiener mehr als nur ein einfaches Transportmittel sind, zeigt sich auch daran, dass man sie gleich in mehrfacher Ausführung auf der Speisekarte im Kaffeehaus findet. Bestellt man einen „Fiaker“, bekommt man traditionell einen Mokka mit 1-2 cl Kirschwasser, Pflaumenschnaps oder Rum, bedeckt mit einer Schicht Schlagobers, damit das Getränk länger warm bleibt. Da für die modernen Fiaker ähnliche Regeln gelten wie für die Autofahrer, würden die Kutscher allerdings eher einen Einspänner bestellen, der ist ohne Alkohol.
Aber auch kulinarisch haben die Fiaker ihren Einklang in die Kaffeehausspeisekarte gefunden. Das Fiakergulasch ist traditionellerweise mit einer frittierten Frankfurter, einer Fächergurke und mit einem Spiegelei garniert. Warum das Version des Wiener Klassikers den auch tatsächlich so heißt ist nicht ganz geklärt. Historiker vermuten jedoch dabei einen Zusammenhang mit dem damaligen Verdienst der Fiaker. Das Gulasch ist ein klassischer Eintopf, der vorwiegend von ärmeren Leuten gegessen wurde. Als Fiaker zählte man zwar zum Bürgertum, dennoch blieb den meisten nicht viel Geld zum leben. Selbst zu kochen war während der Arbeit ebenfalls nicht möglich und so sollen Fiaker oft bei den Wirtshäusern und Beiseln gefragt haben, ob es nicht noch Reste von weiteren Speisen des Vortags gäbe – diese wurden dann mit dem günstigen Gulasch gemeinsam serviert. Somit hatte der Fiaker dann eine reichhaltige Speise, die satt machte und der Wirt musste keine Lebensmittel wegwerfen...
Nicht nur kulinarisch haben die Fiaker ihre Spuren in der Wiener Kultur hinterlassen. Das Fiakerlied ist eines der bekanntesten Wienerlieder. Es stammt aus der Feder des Wiener Bankbeamten Gustav Pick (1832–1921) und wurde 1885 zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung der Fürstin Pauline von Metternich anlässlich des 100jährigen Bestehens der Fiakerzunft von Alexander Girardi erstmalig aufgeführt.
I führ' zwa harbe Rappen,
mei' Zeug'l steht am Grab'n,
a so wia de zwa trappen
wern's net viel g'sehen hab'n.
A Peitschen na des gibt's net, ui jessas nur net schlag'n,
das allermeiste wär ts ts, sonst z'reissen's mir in Wag'n.
Vom Stand zum Lusthaus fahr' ma in zwölf Minuten hin,
mir springt kan's drein net in Galopp, da geht's nur allweil
trapp, trapp, trapp.
Wann's nachher so recht schiass'n, dann spür' i's in mir drin,
dass i die rechte Pratz'n hab, dass i a Fiaker bin.
A Kutscher kann a jeder wer'naber fahr'n,
das können's nur in Wean
Refrain:
Mei Stolz is' i bin halt a echt's Weana Kind,
a Fiaker, wia man net alle Tag find't,
mei Bluat is so lüftig und leicht wia der Wind,
ja, i bin halt an echt's Weana Kind.
Alleine die Menge an Interpretationen, die in den vergangenen 139 Jahren entstanden, lässt
durchblicken, wie wichtig das Lied für die Wiener Seele ist. Von vielen wird es als eine Art
heimliche Hymne betrachtet.
Auf youtube findet man auch noch viele weitere Versionen von:
Paul Hörbiger: https://www.youtube.com/watch?v=me2GNLi3Kq0
Hannes Wader: https://www.youtube.com/watch?v=6dA8S1M2MgQ
16er Buam: https://www.youtube.com/watch?v=L2RPDWDxQmE
Auf Spotify findet man unzählige Versionen, u.a. vom berühmten Zitherspieler Anton Karas (Der Dritte Mann), von Konstantin Wecker und von vielen anderen mehr… Es gehört sicherlich zu den am häufigsten interpretierten Songs der Geschichte des Wienerlieds. Es verrät viel über den Stolz, aber auch über die Gemütlichkeit, die nicht nur die Wiener mit ihren Fiakern verbinden.
Ich bin nicht in Wien aufgewachsen – einer meiner ersten Kontakte mit einem Fiaker war, als ein Kutscher von einer Dame ermordet wurde, die sich für Kaiserin Elisabeth gehalten hat. (4) Aber Kommissar Rex hat den Fall gemeinsam mit seinen menschlichen Kollegen selbstverständlich gelöst. Auch Major Carl Ribarski und sein Kollege Helmut Nowak ermittelten schon als „Soko Donau“ in einem Mordfall in einem Fiakerbetrieb. (5)
Auch in der Literatur geben die berühmten Kutschen immer wieder eine echte Wien-Atmosphäre. Zuletzt fuhr 2020 in Beate Maxians „Der Tote im Fiaker“ eine Leiche durch die Wiener Innenstadt. (6) Doch schon im 19. Jahrhundert stand „Der letzte Fiaker“ im Zentrum eines Volksromans von Anton Langer (7)
Das ist eines der entscheidenden Themen, bei denen die Fiaker unserer Meinung nach häufig sehr unterschätzt werden – auch wenn bereits Carl Julius Weber schon 1849 (1) den besonderen Pferdeverstand und das Gefühl für das Wesen des Tieres besonders hervor tun.
Aber Tradition ist und darf auch nicht das einzige Argument für den Erhalt der Fiakerei in Wien sein. Gerade in den letzten 10-20 Jahren hat sich da viel in Sachen Transparenz weiterentwickelt – Ställe werden für Besuche geöffnet, was auch von der Bevölkerung gerne genutzt wird (Hier geht's zur Stallführung), amtstierärztliche Kontrollen wurden massiv ausgeweitet (Rund 2.500 Routinekontrollen jährlich bei 324 Pferden) und das Thema Tierschutz wird großgeschrieben.
Bereits seit Jahrzehnten führt die Firma Fiaker Paul einen 22 Fussbalfelder großen Pferdehof in Arbesthal (etwa 20 Autominuten außerhalb von Wien), in dem die Tiere ihre Ausbildungs- und Urlaubszeit sowie ihre Pension verbringen können. Selbstverständlich müssen auch die innerstädtischen Stallungen modernsten Standards genügen.
Auch die Gesetzgebung hat sich in den letzten Jahrzehnten strikt weiter in Richtung Tierschutz entwickelt – so sind die Betriebe dazu verpflichtet, dass die Tiere nicht mehr wie 18 Tage im Monat arbeiten (entspricht einer Viertagewoche) und zweimal jährlich wird die körperliche und mentale Eignung für den Fahrdienst amtstierärztlich geprüft. (Zu diesem Thema finden sich weitere Artikel hier) Und auch wenn es ein gängiges Klischee ist (das selbst manch ein Kutscher gerne verbreitet): selbstverständlich landet KEIN Pferd in der Wurst – sie bleiben auch dann weiterhin im Betrieb und leben auf dem Hof in Arbesthal bis an ihr natürliches Lebensende.
Quellen:
(1) Carl Julius Weber, Briefe eines in Deutschland ´Reisenden, Stuttgart 1849, S 345
(2) Rudolf Kristen (Künstler), Mappenwerk "Wiener Typen": "Der Fiaker.", 1921, Wien Museum Inv.-Nr. 143945/11, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/1022002/ abgerufen am 14. März 2024)
(3) Christina Linboth, Zwei Herrscher im Auto – Von Verkehrsmitteln für Kaiser und Volkhttps://www.habsburger.net/de/kapitel/zwei-herrscher-im-auto-von-verkehrsmitteln-fuer-kaiser-und-volk (abgerufen am 14. März 2024)
(4) Kommissar Rex Staffel 5 Folge 13 „Sisi“ – Erstausstrahlung April 1999 im ORF (https://www.sat1gold.de/tv/kommissar-rex/staffel-05/episode-08/sisi abgerufen am 14. März 2024)
(5) Soko Donau Staffel 4 Folge 12 „Mörderisches Geheimnis – Erstausstrahlung Januar 2009 im ORF
(6) Beate Maxian – Der Tote im Fiaker – Goldmann Verlag München 2020
(7) Anton Langer – Der Letzte Fiaker: Ein Roman aus dem Wiener Volksleben – Hartleben’s Verlag, Pest, Wien,
Autorin: Anke Licht