Pferde & Tierschutz

TIERSCHUTZ UND FIAKER – Teil 2

21.4.2022

Nun gibt es den 2. Teil mit vielen weiteren spannenden Mythen aus dem Traditionsgewerbe der Wiener Fiaker. Auch für diesen Artikel gilt: Wer hinschaut und sich informiert weiß, dass Fiakerei und Tierschutz absolut kein Widerspruch sein müssen – ganz im Gegenteil. Lassen Sie uns also gemeinsam ein paar der gängigsten Mythen und Missverständnisse zu diesem Thema genauer unter die Lupe nehmen!


MYTHOS #1: DAS GEHEN AUF DEM ASPHALT RUINIERT DIE GELENKE DER PFERDE


Zugegeben, das ist wohl eine der am häufigsten gestellten Fragen mit denen wir konfrontiert werden. Umso mehr liegt es uns am Herzen, dass wir diesen Mythos “aufbrechen” und beseitigen können.

Tatsächlich ist das Gehen auf dem Asphalt für die Pferde nicht belastender ist als auf jedem anderen Untergrund. Das Gegenteil ist sogar der Fall – Pferde, die beispielsweise auf weichem oder ungleichmäßigem Untergrund laufen, sind durchaus höheren Belastungen ausgesetzt. Doch warum genau sollte das der Fall sein?

Die Sache mit der Gelenkbelastung ist im Prinzip sehr ähnlich wie bei uns Menschen. Wenn wir im Wald, auf unebenem Gelände spazieren, ist das für unsere Füße, Gelenkbänder und Sehnen weitaus anstrengender als wenn wir auf Asphalt gehen. Denn die Unebenheiten im Boden müssen dauerhaft von unserer Muskulatur, den Sehnen und Bändern ausgeglichen werden. Genau aus diesem Grund hat der Mensch dann auch irgendwann so etwas wie Wanderschuhe oder Sportschuhe erfunden, eben um solchen zusätzlichen Belastungen besser vorzubeugen. Das selbe gilt auch für unsere Fiakerpferde! Solange wir im gewohnten (Schritt)Tempo unterwegs sind, können die Pferde den Huf immer gleichmäßig auf den Asphalt aufsetzen, ohne dabei die Gelenke zusätzlich zu belasten.

Was völlig anderes wäre es allerdings, wenn unsere Pferde sportliche Höchstleistungen bringen müssten, wie etwa Trabrennpferde oder Sprungpferde. Diese Pferde tragen dann zur Unterstützung zumeist Bandagen/Ganachen an den Gelenken, da sich diese einerseits auf weichem, unregelmäßigen Untergrund bewegen und andererseits schnelle und kraftvolle Bewegungen ausführen – daher sieht man diese Bandagen bei Fiaker-Pferden in der Innenstadt eher selten.

Interessanter Fakt: Die meisten Fiakerpferde werden tatsächlich durchschnittlich älter als Wildpferde oder Sportpferde, was unmittelbar mit der geringen körperlichen Belastung zusammenhängt.


MYTHOS #2: PFERDE TRAGEN SCHEUKLAPPEN DAMIT SIE DEN VERKEHR ERTRAGEN KÖNNEN


Diesen Mythos ist ebenfalls einer der wohl am weitesten verbreitetsten Mythen überhaupt. Wer daran geglaubt hat, den müssen wir leider enttäuschen.

Die Scheuklappen haben absolut nichts mit dem Verkehr zu tun. Denn selbst wenn die Pferde durch die Scheuklappen nicht zur Seite sehen können, würde das nichts daran ändern, dass Pferde ihrE Umgebung vor allem über bio-energetische Ströme und über das Gehör wahrnehmen.

Doch warum gibt es dann also diese Scheuklappen/Blenden? Fakt ist, dass es die Scheuklappen (auch genannt: Augenklappen) bei Pferden schon weitaus früher gab, als Autos oder ähnliche Verkehrsmittel. Die Scheuklappen finden ihren Ursprung im mehrspännigen fahren. Die Fiaker fahren traditionellerweise mit 2 Pferden vor der Kutsche, wovon eines links und das andere rechts vor die Kutsche gespannt ist. Dementsprechend erfordert dieser Fahrstil eine hohe Aufmerksamkeit und gutes Können des Kutschers, da dieser beide Pferde gleichzeitig führen muss. Der Kutscher muss vor allem ausreichend mit den Pferden kommunizieren und ihnen die notwendigen Kommandos für die vorgesehenen Manöver geben. Oft passiert es dann, dass die Pferde nicht im selben Rhythmus gehen oder ungleichmäßig ziehen. Um diese Unregelmäßigkeiten auszugleichen und um gezielte Peitschenhilfe auszuüben, hat der Kutscher eine Peitsche, mit der er den Pferden Kommandos geben kann. Damit dieser auch jedem einzelnen Pferd Kommandos geben kann, ohne dass das andere Pferd davon mitbekommt, gibt es die sogenannten Blenden. Die sind also schlichtweg dazu da, dass das linke Pferd nicht mitbekommt, was das rechte Pferd macht (oder machen soll) und umgekehrt. Vor allem in Kurven ist es total wichtig, dass die Pferde unterschiedlich angesprochen werden können und dementsprechend agieren.

MYTHOS #3: PFERDE DIE AUS DEM MUND SCHÄUMEN SIND DURSTIG UND AUSGELAUGT


Wer selbst mit Pferden zu tun hat weiß, dass diese Behauptung nicht stimmt. Das schäumen vor dem Mund der Pferde bedeutet weder, dass sie durstig sind, noch dass sie ausgelaugt oder ausgebeutet sind – auch Tollwut haben die Pferde nicht. Also kein Grund zur Sorge.

Kurz zusammengefasst: Der Schaum vor dem Mund eines Pferdes ist eigentlich ein gutes Zeichen und bedeutet, dass sich das Pferd wohl fühlt, körperlich fit ist und der Biss im Mund des Pferdes gut sitzt. Die Schaumbildung wird vor allem durch das Kauen des Pferdes ausgelöst. Das Kauen wiederum aktiviert sämtliche Muskeln im Körper des Pferdes, die mit dem Mund zusammenhängen.

MYTHOS #4: ES GIBT ZU LASCHE GESETZE FÜR FIAKER & KEINE KONTROLLEN


Wer das glaubt, der irrt! Die Stadt Wien hat weltweit eine der strengsten Tierschutz Gesetze und Auflagen überhaupt. Dadurch wird die faire Behandlung der Pferde und die artgerechte Haltung garantiert.

Natürlich müssen wir an dieser Stelle wieder erwähnen, dass es auch in der Fiakerei, so wie in jeder anderen Branche “schwarze Schafe” gibt, die sich leider nicht an alle gesetzlichen Vorgaben halten – gleichzeitig versichern wir Ihnen, dass solche Fälle auch innerhalb der Fiakerei zur Anzeige Betracht werden.

Hier sind einige Beispiele für gesetzliche Bestimmungen, denen man nachkommen muss:

• Jedes Pferd muss eine eigene Box besitzen.

• 2 x jährlich gibt es Stallkontrollen – 1 x davon angekündigt und 1 x davon unangekündigt.

• Während der Sommermonate werden die Fiakerpferde in der Innenstadt vom Amtstierarzt ca. 1 x wöchentlich kontrolliert.

• Die Arbeitsverhältnisse der Pferde sind ebenfalls gesetzlich geregelt: 4 Tage die Woche Arbeit, 3 Tage frei.

Natürlich gibt es noch etliche, weitere Gesetze die wahrscheinlich den Rahmen dieses Blogs sprängen würden, daher lassen wir das mal soweit…

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